Oranienburg

Zur Geschichte des alten Rathauses „Hotel Eilers“

Das „Hotel Eilers“ auf historischen Postkarten (um 1900, Quelle: Privatbesitz Ney)Das „Hotel Eilers“ auf historischen Postkarten (um 1900, Quelle: Privatbesitz Ney)

Ein Text von Thomas Ney

Postkarte mit einem Foto des „Hotel Eilers“ (um 1900, Quelle: Kreismuseum Oberhavel)Postkarte mit einem Foto des „Hotel Eilers“ (um 1900, Quelle: Kreismuseum Oberhavel)

Am Luisenplatz 1 befand sich seit 1695 die Wohnung des reformierten Hofpredigers. 1709 brachte die Stadt es durch den Tausch mit einem Grundstück an der Pfarrkirche in ihren Besitz. Bis 1711 erfolgte der Umbau zum städtischen Rathaus. So erhielt das Gebäude eine prächtige Fassade, die sich in ihrer Architektur an den holländischen Klassizismus sowie an das benachbarte, wenige Jahre zuvor errichtete Amtshaus anlehnte. Ein helles Ziegelrot sollte an holländische Backsteinbauten erinnern. Das erste – und einzige – Rathaus der Stadt zierte fortan ein imposantes Portal, ein Mansardendach sowie einen Turm mit Schweifhaube, auf dessen Spitze eine Wetterfahne mit Fischsymbol – dem Wappentier der Stadt – angebracht wurde. Erst 1789 erhielt der Rathausturm eine Uhr. Im Innern führte eine hölzerne Wendeltreppe vom Keller bis zum Dachgeschoss. Im Erdgeschoss befand sich ein Ratskeller. Der Pächter besaß das Monopol auf den Bier- und Weinausschank in der Stadt. Die Baukosten betrugen 4542 Taler. Am 6. Juli 1711 wurde das Gebäude durch den Bürgermeister Victor Hünicke eingeweiht. Noch am selben Tag trat der Magistrat der Stadt zum ersten Mal im oberen Stock des neuen Rathauses zusammen.

Die Befreiungskriege 1813/15 gegen die napoleonische Fremdherrschaft brachten der Stadt einen Verlust von 80.000 Talern, sodass sich der Magistrat 1817 gezwungen sah, das Rathaus mit Ausnahme von 4 Zimmern, dem Rathaussaal und der Turmuhr in Erbpacht zu geben. Später verkaufte er das Gebäude endgültig. Seit dieser Zeit besitzt Oranienburg kein Rathausgebäude mehr. Die Stadtverwaltung befand sich allerdings noch bis 1851 in dem Gebäude und der große Sitzungssaal wurde noch bis ins frühe 20. Jahrhundert von der Stadt genutzt. So informierte hier am 1. April 1891 die Firma „Siemens & Halske“ die Bürger der Stadt über den Nutzen und die Anschlusskosten an ein künftiges Stromnetz. Bereits von 1867 an bis 1894 führte der Hotelier Eilers das Unternehmen, das dem Haus seinen Namen gab. Wechselnde Eigentümer nahmen an dem Gebäude zahlreiche Veränderungen vor. So entstand beispielsweise an der Vorderfront eine Terrasse für Restaurantbesucher mit Blick auf das Schloss. Hier weilte im Frühsommer 1861 auch Theodor Fontane, der das „Hotel Eilers“ in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ erwähnte:

„Noch eine anderthalbstündige Fahrt an Tannenholz und Dörfern vorbei, und wir halten auf einem großstädtisch angelegten Platz, über dem sich eben der prächtigste Regenbogen wölbt. Das ist der Schloßplatz von Oranienburg. Das Wetter klärt sich auf; die Sonne ist da. Das Haus, das uns aufnehmen soll, verbirgt sich fast hinter den Lindenbäumen, die es umstehen, und erweckt, neben manchem anderen, unsere günstigsten Vorurteile auch dadurch, daß wir vernehmen, es sei Rathaus und Gasthaus zugleich. Wo Justiz und Gastlichkeit so nahe zusammen wohnen, da ist es gut sein. In alten Zeiten war das häufiger. Unsere Altvordern verstanden sich besser auf Gemütlichkeit als wir. Die Luft ist warm und weich und ladet uns ein, unsern Nachmittagskaffee im Freien zu nehmen. Da sitzen wir denn auf der Treppe des Hauses, die sich nach rechts und links hin zu einer Art Veranda erweitert, und freuen uns der Stille und der balsamischen Luft, die uns umgeben. Die Kronen der Lindenbäume sind unmittelbar über uns, und sooft ein Luftzug über den Platz weht, schüttelt er aus dem dichten Blattwerk einzelne Regentropfen auf uns nieder. Zu unserer Linken, ziemlich in der Mitte des Platzes, ragt die Statue der hohen Frau auf, die dieser Stadt den Namen und, über einen allerengsten Kreis hinaus, ein Ansehen in der Geschichte unseres Landes gab. Dahinter, zwischen den Stäben eines Gittertors, schimmern die Bäume des Parks hervor, unmittelbar vor uns aber, nur durch die Breite des Platzes von uns getrennt, ragt der alte Schloßbau selbst auf, dessen Bild und dessen Geschichte uns heut beschäftigen soll.“

Werbeanzeige des „Hotel Eilers“ (Quelle: Festschrift zur 700-Jahrfeier der Stadt Oranienburg 1932)Werbeanzeige des „Hotel Eilers“ (Quelle: Festschrift zur 700-Jahrfeier der Stadt Oranienburg 1932)

1919 erwarb der Gastwirt Carl Schulze das Traditionshaus von Wilhelm Burchard. Das Unternehmen führte das Hotel bis 1959. In einem Bericht des Oranienburger Verkehrsvereins, welcher im Oranienburger Generalanzeiger vom 8. April 1937 erschien, wird der Eindruck vom Inneren des Gebäudes beschrieben:

„Der freundliche Herr des Hauses übernimmt selbst unsere Führung durch das interessante alte Gebäude, das für die Ewigkeit gebaut scheint. Unsere Bitte, ins Turmstübchen hinaufklettern zu dürfen, wird gern erfüllt. Eine gewaltige Dachkonstruktion stützt den Turm und, wie die Spuren zeigen, hat selbst Feuer diesem mehrhundertjährigen Gebälk nichts anzuhaben vermocht. Den alten Ratssaal kann man sich noch gut vorstellen, ebenso die einstige Eingangshalle, als deren Stütze ein gewaltiger Eichenstamm dient. An die Frühzeit des Hauses erinnern auch eiserne Türbeschläge, saubere Handwerksarbeit.“

Nach der teilweisen Zerstörung des Gebäudes im Zweiten Weltkrieg wurde das Hotel 1946 am nun nach August Bebel benannten Platz wiedereröffnet. Erst im April 1950 erhielt der Schlossplatz den Namen „Platz des Friedens“. 1957/58 wurde das Haus letztmalig saniert und die historische Bausubstanz gesichert. Ein „Haus der Kultur“ sollte fortan im alten Rathaus seinen Platz finden. Allerdings entschied man sich 1963 zum Abriss des Gebäudes. Schon fünf Jahre später versuchte eine Initiative aus 62 Bürgern unter Federführung des Journalisten Eckard Peterssohn einen Wiederaufbau des Gebäudes zu erreichen. Die Eingabe beim Rat des Kreises wurde jedoch abgelehnt. An der Stelle des Rathauses entstand bis 1971 in Plattenbauweise das Gebäude der Industrie- und Handelsbank der DDR. 1974 wurde auch das alte Amtsgebäude (später Goethe-Schule) abgerissen und der barocke Stadtgrundriss Oranienburgs endgültig zerstört.

Erst im Zuge der Vorbereitungen für die Landesgartenschau 2009 begann man wieder mit der Wiederherstellung des historischen Stadtzentrums. 2007 wurde das Bankgebäude abgerissen. Seither markiert ein Parkplatz die Baulücke, an der hoffentlich einst das historische Rathaus der Stadt in seiner äußeren Gestalt wiedererstehen wird.

Quelle: Bodo Becker, Oranienburg - Historische Vielfalt, Berlin 2019.